Artist Ausgabe Nr. 56
Portraits
Ina Weber | Franz West | Kalin Lindena | Oliver Godow | Friedrich KunathInterview
Rosemarie SchwarzwälderPage
Jochen TwelkerPolemik
Stephan BergAusstellungen
»Die offene Stadt»Künstlerbeilage
Alex HanimannEdition
Peter ZimmermannPortrait
o.T., (Shop on the Move III) Antwerpen, 2002, C-Print, 82 x 82 cm
Textauszug
Oliver GodowMan muß nicht Silvio Berlusconi heißen, um manchmal Realität und Fiktion, Inhalt und Inszenierung, Fakt und Schein zu verwechseln - jeder kennt diese seltsame Form der Überraschung und das Gefühl, da hätte das »wahre Leben« die Kunst nachgeahmt. Die romantische Ironie und das absurde Theater haben diesen Kitzel zur höchsten Kunstform gebracht. Peinlich wird es nur, wenn man sich im Geflecht der Ebenen verheddert und durch populistische Schachzüge propagandistische Volksverdummung zu betreiben versucht mit einem Volk, das ein ebensolcher Entwurf ist wie die übrige Realität, auf die sich die Wahrnehmung bezieht.
Der Blick auf den Alltag ist allerdings bekanntermaßen niemals ein jungfräulicher und frei bestimmter - zu tief ist das Archiv der kulturellen Prägungen in unsere Wahrnehmung eingeschrieben. Dieser Blick kann aber ein spielerisch staunender und mit einer ungewöhnlichen Sicht auf die Dinge über- raschend sein, wie Arbeiten von Oliver Godow zeigen. Godow fotografiert mit einer Mittelformat-Kamera ausschließlich vorgefun- dene Sujets. Er komponiert seine Bilder durch die Wahl des Objekts, Ausschnitt, Filmmaterial und Belichtung anhand vorgefundener Lichtverhältnisse. Seine Fotos entstehen nach klassischen Vorgehensweisen. Er schaut hin. Er hält fest.
Die Mehrdeutigkeit, die sich zwischen Abbild und Komposition auftut, zeigt, dass die Ästhetik der Bilder in den Bildern selbst und nicht in den Gegenständen liegt. Und diese Ästhetik ist eine absolut zeitgemäße. Godow gehört der jungen Generation subjektiver Fotografen an, die ohne digitale Manipulationen arbeiten. Seine Fotos sind menschenleer, kühl minimalistisch und doch von einer zwingenden Intimität, die den Betrachter auffordert, aus seiner passiven Rolle in einen aktiven, analytischen Modus des Sehens überzugehen. Gerade durch die Fesselung an einzelne kleine Bruchstücke des Ganzen, entzündet sich der Spieltrieb: Godow wirft den aus Komposition, Räumlichkeit und Zeitlichkeit seiner Sujets gebildeten Spielball dem Betrachter zu.
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