vergriffen

Artist Ausgabe Nr. 89

Portraits

Jordan Wolfson | Marina Steinacker & Katharina Willand | Julia Lazarus | Markus Schinwald

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Sonja Rentsch

Ausstellungen

»Farbe im Fluss«

Künstlerbeilage

Stefan Panhans

Portrait

Animation, masks, 2011, digital animation video with sound, duration:12 min 29, Videostill, Courtesy Johann König Berlin

Textauszug

Jordan Wolfson
Dunkle Haare, ausgeprägte Glatzenbildung, ein gekräuselter Bart. Dazu kommen schiefe Zähne, buschige Augenbrauen und eine übergroße Nase. Der mittelalte, männliche Protagonist in der 2011 entstandenen Videoarbeit »Animation, masks« des amerikanischen Künstlers Jordan Wolfson erfüllt alle gängigen Klischees und falschen Stereotypen antisemitischer Propaganda. Um ihn als prototypische Karikatur eines Juden zu dechiffrieren, hätte es der braunen Kippa, die er trägt, eigentlich nicht bedurft. Wolfson, Jahrgang 1980, entstammt selbst einer jüdischen New Yorker Familie. Mit dieser aktuellen Arbeit stößt er also eine interpretatorische Pforte auf, die um das biographische Element nicht herumkommt. Ein Topos, dem er keineswegs ausweicht, thematisierte er doch bereits in dem 2004 entstandenen Film »The Crisis« sein Künstlertum. Beim Rundgang durch eine gotische Kirche monologisiert Wolfson hier durchaus selbstironisch und humorvoll über seine Helden wie Felix Gonzalez-Torres oder Robert Smithson und den eigenen künstlerischen Weg.

Wolfsons neuere Arbeiten »Animation, masks« und »Con Leche« machen die fehlende Kongruenz von Bild- und Tonebene, die scheinbar absurde und nichtlineare Abfolge von narrativen Elementen zu ihrem durchgängigen Stilprinzip. Am Ende aber, indem er all diese disparaten Elemente zusammenfügt, vermittelt Wolfson dem Betrachter dann doch einen Eindruck von den kaum auflösbaren Widersprüchen der Welt, in der wir leben. Insofern kann man bei Wolfson von einer Art strukturalistischer Methode sprechen, die verschiedene Elemente von Welt- und virtueller Erfahrung zunächst segmentiert und dann in ein nicht unbedingt logisch nachvollziehbares, aber subtil konsum- und kulturkritisches Neues übersetzt. Eine Art »peinture de la vie moderne« mit den Mitteln unserer Zeit. Elemente kollektiver und individueller Wahrnehmung und Erinnerung werden von Wolfson mit großer ästhetischer Radikalität umgesetzt und von einer oft selbst-ironischen Bezugnahme auf die eigene Biografie humorvoll unterminiert.

Nicole Büsing / Heiko Klaas