vergriffen
Artist Ausgabe Nr. 89
Portraits
Jordan Wolfson | Marina Steinacker & Katharina Willand | Julia Lazarus | Markus SchinwaldInterview
Hans-Jürgen HafnerPage
Sonja RentschPolemik
Raimar StangeAusstellungen
»Farbe im Fluss«Künstlerbeilage
Stefan PanhansEdition
Tillmann TerbuykenPolemik
Kunst: Bunte BILDer statt politische Bildung?, Foto: Raimar Stange
Textauszug
»Political correct?«Einige Beispiele für den ausgeprägt apolitischen Charakter des aktuellen Kunstgeschehens sollen folgen: Wir erinnern uns: Der chinesische Konzeptkünstler Ai Weiwei wurde am 3. April diesen Jahres in seiner Heimat »festgenommen« und an einen unbekannten Ort verschleppt. Steuerhinterziehung wurde ihm vorgeworfen, gemeint aber war seine kritische Haltung dem Staat gegenüber. Erst am 22. Juni wurde er dann endlich auf Kaution »freigelassen«. Schnell gab es nach der »Festnahme« Solidaritätsbekundungen, Unterschriftenlisten und Proteste im »Westen« - nur: Die Kollegen Ai Weiweis, die KünstlerInnen also, blieben seltsam still. Ex-documenta-Kurator Roger M. Buergel stellte im »Spiegel«- Interview daraufhin fest: »Ai Weiwei ist der Brückenschlag zwischen Kunst und Politik gelungen, im Grunde hat nur er das in den vergangenen Jahren geschafft, er hat da ein Monopol«. Diese Monopolstellung bedeutet, und da wird es in unserem Kontext interessant, dass auch den meisten deutschen KünstlerInnen der Brückenschlag von Kunst und Politik eben nicht gelungen ist, und das spiegelt sich selbstverständlich in ihrer Kunst wider: »Die jungen Künstler im Westen produzieren nichts anderes als Fußnoten zur Kunstgeschichte, und dann taucht ein Künstler aus China auf, der an alles anders herangeht und 98 Prozent der Kunstwelt sehr, sehr alt aussehen lässt«. Und genau dieses, so Roger M. Buergel, führe dazu, »dass die meisten froh sind, Ai Weiwei los zu sein.« Mag Buergel auch ein wenig über das Ziel hinaus schießen, seine Einschätzung, dass 98% der Künstler im Westen ziemlich unpolitische Kunst produzieren, dieses sollte uns trotzdem sehr zu denken geben.