vergriffen

Artist Ausgabe Nr. 98

Portraits

Brian Jungen | Roni Horn | Alicja Kwade | Eva Hesse

Interview

Reinhard Spieler

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Christian Holtmann

Ausstellungen

»Das Beste vom Besten«

Portrait

Truster 7, 2013, 7 Kaiser-Idell Lampen (Christian Dell), Installationsmaß: 317,5 x 74,3 x 59 cm, © A. Kwade, Courtesy Alicja Kwade und Kamel Mennour, Paris, Foto: Volker Döhne

Textauszug

Alicja Kwade
Es sind nicht gerade einfache Fragen, die sich Alicja Kwade stellt. Was ist das eigentlich, Raum, Licht, Zeit? Wie funktioniert der Transport von Energie, von Information? Welche Rolle spielen Glauben und Aberglauben in einer aufgeklärten Welt, die von abstrakten Vereinbarungen bestimmt ist wie der Zuschreibung eines unfassbar hohen Geldwertes für ein Stück Papier? Es sind Fragen nach unserem Dasein und unserer Realität. Die in Berlin lebende Künstlerin mit polnischen Wurzeln (geb. 1979 in Kattowitz) wendet sich auf der Suche nach Antworten an die Wissenschaft, die Philosophie oder die Religion und verwandelt ihre Fragen in eine künstlerische Geste von großer Einfachheit und Klarheit.

Im Nachbarraum vollführen sieben in einer Reihe aufgestellte, brennende Kaiser-Idell-Lampen aus den 30er Jahren eine Art Verbeugung. Der Titel »Truster« (2013) deutet ihre »Haltung« als Geste der Anbetung. Licht lässt sich metaphorisch vielfältig deuten. Eine brennende Glühbirne ist ein sichtbares Zeichen für Energieströme, die ihrem Wesen nach unsichtbar sind und dennoch unsere ökonomischen, wissenschaftlichen und soziokulturellen Systeme am Laufen halten. Die Kaiser-Idell-Lampen stammen aus der industriellen Produktion und glichen einmal einander wie ein Ei dem anderen. Aber inzwischen zeigen sie Gebrauchsspuren, haben Patina angesetzt, die ihnen eine Geschichte gibt und damit Individualität. Kwade ordnet die Lampen nach dem Grad ihrer Abgenutztheit und Vergilbung in absteigender Folge und verwendet gleichzeitig immer schwächere Wattzahlen für die Glühbirnen, so dass sich die Assoziation eines anfangs aufrecht und hoch erhobenen Hauptes dastehenden und nach und nach immer tiefer gebeugten Menschen einstellt, der schließlich im Fußboden versinkt und erlischt.

Es ist bezeichnend, dass kitschige Porzellanfiguren, die in entschiedenem Gegensatz zu dem als geschmackvoll geltenden Bauhausdesign stehen, einen ähnlich bedeutenden Stellenwert in Kwades Werk einnehmen. Auch wenn sie in der Krefelder Ausstellung sehr viel zurückhaltender eingesetzt werden als in ihrer entwaffnend humorvollen Installation »Weißes Gold (animal metaphysicum)«w (2010), verbirgt sich in der ambivalenten Emotionalität dieser vielgeschätzten und im Kunstkontext gehandelten Figürchen ein hoher Identifikationsgehalt. In »7 × Dionysos Offers« (2013) – wieder taucht die magische Zahl 7 auf – gruppieren sich sieben unterschiedliche Ausführungen desselben Prototyps der »Trinkenden« von Ernst Wenck um ein Häuflein gebraucht wirkender Schmuckstücke einschließlich Zahngold. Das Gold stammt aus dem über Ebay angebotenen Nachlass einer Verstorbenen. Die Trinkenden schöpfen gierig aus diesem Goldquell. Doch steckt in der »Gabe des Dionysos« ein tödlicher Fluch. Wie König Midas, dem sich alles was er berührte dank Dionysos´ Gabe in Gold verwandelte, scheinen die in der Bewegung Verharrenden in der plötzlichen Erkenntnis erstarrt, dass man Gold nicht trinken kann, und trotz seines hohen Werts Gefahr läuft, verhungern und verdursten zu müssen. (Ausstellung: Alicja Kwade, Grad der Gewissheit, Museum Haus Esters)

Sabine Elsa Müller