vergriffen

Artist Ausgabe Nr. 100

Portraits

Birgit Megerle | Michael Beutler | Luisa Kasalicky | Anselm Kiefer | Isa Genzken

Portrait

Installationsansicht, Ausstellung: »Zustand mit Loops und Kringeln« in der Galerie Grässlin, Courtesy Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt, Foto: Wolfgang Günzel

Textauszug

Michael Beutler
Wickeln, schneiden, weben, schrauben, stecken, kleben – man stellt sich so eine Michael-Beutler-Produktion irgendwie als fröhliches Werkeln vor, unbeschwert von allzuviel theoretischem Ballast Bunte Farben, leichtes, gut formbares Material und ein Umgang damit, der Kindheitserinnerungen wach ruft: Mit dem, was da ist, etwas bauen, aus Decken und ein paar Stöcken, ein Provisorium, das alles sein kann, Höhle und Palast. Der Mehrwert des kreativen Tuns erklärt sich aus der Freude, mit wenigen Mitteln etwas aus eigener Kraft entstehen zu lassen und dabei Teil eines größeren Ganzen, einer sich in diesem Moment, an diesem Ort und unter diesen spezifischen Umständen stattfindenden Aktion zu sein.

Mit einfachen mechanischen Geräten werden aus Materialien, die gut zu verarbeiten sind wie Papier, Alu- oder Plastikfolie, Karton, Gips oder Beton wie in einer Manufaktur handliche Module oder Geflechte hergestellt, die wiederum zu großen Körpern und Flächen zusammengesetzt werden können.

Das leichte und extrem wandelbare Material Papier kommt bei Beutler bis heute immer wieder zum Einsatz. Auch die Frankfurter Galerie Grässlin wurde während der Vorbereitungsphase ihrer zweiten Beutler-Ausstellung »Zustand mit Loops und Kringeln« (2014) in eine Werkstatt verwandelt. Inzwischen sind die Maschinen größer geworden und auch das jeweils vor Ort neu zusammenzustellende Team. In Frankfurt ist die »Proto-Maschine« – eine Bezeichnung, die von dem Kunsthistoriker Gregory Williams stammt und von Beutler übernommen wurde – ca. 11 Meter lang. Sie ist Ausgangspunkt und zentrales Element der Installation. Mit dieser Vorrichtung wurden lange Papierbahnen zu den sogenannten Loops und Kringeln gestaucht, die sich rechts und links der wie ein Longboard geformten Maschine zu einem Wellenberg aus Papier türmen – bevor die Galerie hier einzog, beherbergten die Räume einen nach einem legendären Surferfilm benannten Second Hand Laden. Wie eben mal kurz verlassen steht da auch noch die Handnähmaschine, mit der die Papier-Wellen fixiert wurden.

Das Bielefelder »Haus Beutler« ist ein fröhlicher, sehr einladender und heimeliger Gegenentwurf zu dem sofort im Namen mitschwingenden »Haus u r« von Gregor Schneider, wenn auch ähnlich verwinkelt und labyrinthisch. Vor allem ist es die fast museale Antithese seiner eigenen pavillonartigen Häuser oder Hütten, die Michael Beutler aus leichtem Material erstellt. Eines davon steht direkt im Hof von »Haus Beutler«: Eine »Keilhütte«, deren keilförmige Elemente aus durchscheinendem, weißem Pecafil – einem Material, das zur Verschalung von Betonwänden entwickelt und von Beutler schon mehrfach eingesetzt wurde – mit Kabelbindern und Seilen zusammengehalten werden. Der durchaus funktional nutzbare Pavillon steht in Beziehung zu einem anderen Beitrag im parallel stattfindenden Kunstprojekt »Vor Ort« im Bielefelder Ortsteil Sennestadt: Hier kommen die in Anzahl und Form mit der »Keilhütte« identischen Elemente in eine offene, skulpturale Aufstellung.

Sabine Elsa Müller