vergriffen
Artist Ausgabe Nr. 100
Portraits
Birgit Megerle | Michael Beutler | Luisa Kasalicky | Anselm Kiefer | Isa GenzkenInterview
Rik ReinkingPage
Tim ReineckePolemik
Roland SchappertEssay
Raimar StangeAusstellungen
»Die 10. Manifesta in St. Petersburg«Essay
Textauszug
»Under PRESSurE?«Anno 1989: Die Berliner Mauer fällt und der »Kalte Krieg« geht endlich seinem Ende entgegen, der FC Bayern München wird wieder einmal Deutscher Fußballmeister, die erste »Love Parade« findet in Berlin statt und in Bremen wird ein neues Kunstmagazin gegründet: »Artist«. 25 Jahre und immerhin 100 Ausgaben später zählt das Heft in Deutschland längst zu den wichtigeren Fachpublikationen für aktuelle Kunst. Begonnen hatte »Artist« als Kunstmagazin für den norddeutschen Raum, bald aber erweiterte sich der Fokus und Mitte der Neunziger Jahre hatten Künstler wie Michel Majerus, Christian Jankowski oder Christine & Irene Hohenbüchler z. B. dort ihre ersten längeren Porträts. Heute zählt »Artist«, neben den Magazinen »Art«, »Texte zur Kunst« und »Kunstforum International« zu den dienstältesten Kunstmagazinen in Deutschland, es hat Hefte wie »Wolkenkratzer«, »Noema«, »Artis« »Nike« und die »Neue Bildende Kunst« z. B. längst überlebt. Selbstverständlich nun ist, dass sich nach einem Vierteljahrhundert die Kunstpresselandschaft nicht nur in Deutschland entscheidend verändert hat, einige der relevantesten Veränderungen will ich in diesem Essay jetzt kurz vorstellen und bedenken.Wie wir alle wissen, setzte sich mit dem »Fall der Mauer« endgültig der Prozess der neoliberalen Globalisierung durch. Klarerweise hatte diese Entwicklung einschneidende Konsequenzen auch auf das Betriebssystem Kunst. Der Kunstmarkt wurde nämlich nicht nur zunehmend zu einem neoliberalen System, das jetzt vor allem die Bedürfnisse von mehr oder weniger wohlhabenden Sammlern zu befriedigen suchte, es wurde auch zu einem Markt, der jetzt tatsächlich weltweit agiert. So nahm die Anzahl der Kunstmessen in den letzten Jahrzehnten drastisch zu und auch in Städten wie Dubai, Moskau oder Johannesburg gibt es im 21. Jahrhundert Kunstmessen, nicht mehr nur wie bisher in Köln, Basel und New York. Parallel dazu hat die Menge der Kunstgalerien sprunghaft zugenommen: Waren es in den oben besagten Mitte-der-Neunziger-Jahren z. B. noch etwa 50 Galerien in Berlin, so sind es dort heuer gut 400. Kunst ist also immer mehr zu einer wohlfeilen Ware geworden, eben die Kommodifizierung, die typisch ist für die postmoderne Gesellschaft überhaupt, prägt nun auch das Betriebssystem Kunst. Und natürlich hat dieser prekäre Prozess Folgen für Kunstmagazine, wird es doch jetzt immer schwieriger Kunstwerken in diesen kritisch zu begegnen, viele Magazine drohen zu smarten und lifestyligen Begleitern des Galeriensystems zu verkommen. Dank ihrer geschalteten Anzeigen haben Galerien ja eh eine gewisse (ökonomische) Macht auch über die redaktionelle Arbeit der Kunstmagazine. »Artist« entgeht dieser Falle nach 25 Jahren vor allem dadurch, dass hier eben auch KünstlerInnen besprochen werden, die auf dem Markt (noch) keine Rolle spielen. Die Sektion »artist polemik« und das in jedem Heft von dem Chefredakteur Joachim Kreibohm mit ausgewählten Persönlichkeiten des Kunstbetriebes geführte Interview erlauben zudem auch umstrittene Themen in einer kontroversen Art und Weise zu thematisieren.