Artist Ausgabe Nr. 59

Portrait

Textauszug

Carol Bove
Die Bestandteile der Arrangements funktionieren stets auf mehreren Ebenen zugleich: Als Ausgangspunkte für die Imagination, als ästhetische Zeit(geist)indikatoren und als kulturelle Codes - mittelbare und multiple Lektüre also, die auch von Konfrontation und wechselseitiger Verflechtung dieser Aspekte lebt. Ein wuchernd signifikantes Feld aus Subtext, das Bove eben auch ins Skulpturale hinein verlängert und die Arrangements auf Raum und Raumgliederung bezieht. Solche Bezüge zur Minimal Art, in Verknüpfung mit Aspekten von Möblierung formal bereits in den Regal- und Tischinstallationen angelegt, reizt Bove bisweilen auch an der delikaten Grenze zur Dekoration aus, etwa mit »Oriented Plane« (2003), einer Arbeit, die in Hamburg und Zürich zu sehen war. »Oriented Plane« paraphrasiert jene 70er-typischen Türvorhänge aus Perlenschnur. Bove platziert die Arbeit allerdings als minimalistisches Element wie freischwebend im Raum - eine halbtransparente Fläche, die je nach Blickwinkel als silbern reflektierende Wand erscheint oder nahezu unsichtbar ist.

Bove arbeitet wie eine ‚rekonstruierende Archäologin’, wenn sie mit ihrem Werk eine Art von stilistisch-temporalem Zwischenraum entwirft. Ein Historiker sei ein rückwärts- gewandter Prophet, heißt es, und so leuchten Boves Arbeiten wie retrospektive Time-Capsules die kulturellen Differenzen und Distanzen zur eigenen Gegenwart aus - um die dabei freigestellten ästhetischen Codes zu reflektieren und erneut in Schwingung zu versetzen.

Jens Asthoff